19.07.2019 Faszinierende Zentimeterarbeit- Krankoloss fordert Fingerspitzengefühl
Berkheim/ Neckarsulm. Als Modell in der Vitrine ist er im Maßstab 1:87 schon imposant, aber in echt ist er ein echter Koloss: Der Gittermastraupenkran LZ 1600 sprengt die Dimensionen. Dieser schwergewichtige Gigant ist aktuell am Neckartalübergang bei Neckarsulm aufgebaut. Hier hebt das Baugerät im Auftrag von Max Wild jede Nacht tonnenschwere Betonteile der alten Neckarbrücke zentimetergenau über die Oberleitungen der Bahnstrecke. Bis die Arbeiten abgeschlossen sind, wird der Raupenkran Brückenteile mit einem Gesamtgewicht von 2600 Tonnen in die Höhe gehievt haben - in insgesamt 13 „Hüben“ - so die Fachbezeichnung.
Angesichts der imposanten Dimensionen des Raupenkrans wirken die Bauarbeiter winzig. Und erst recht beeindruckt das knapp zwei Meter hohe Kettenfahrwerk. Darauf steht und fährt der Kran neben der Bahnlinie Heilbronn – Würzburg in der Neckarsulmer Kanalstraße. Auf 20 Zentimeter dicken Eichenbohlen bewegt sich das stählerne Ungetüm, damit der Untergrund bei dem Gesamtgewicht von 850 Tonnen einschließlich Schwebebalast nicht nachgibt und auch keinen Schaden erleidet. Und hier bewegt er sich nur im Schneckentempo, das sind maximal etwas mehr als 1000 Meter in der Stunde.
Allerdings ist der beeindruckende Lastenheber im XXXL-Format nicht voll ausgebaut. Bis zu 144 Meter könnte der Hauptausleger mit mehreren Gittermasten zusammen montiert sein. An der Großbaustelle der A6 sind es „nur“ 38 Meter, wie ViA6West-Pressesprecher Michael Endres erklärt. Denn einerseits reicht das für das Ausheben der herausgeschnittenen Brückenteile, andererseits ist es am Einsatzort zwischen Bahnlinie und Kanalstraße extrem eng.
Deshalb ist von den Kranfahrern extremes Fingerspitzengefühl gefordert, wenn sie Brückenteile mit einem Gewicht von bis zu 279 Tonnen herausheben und präzise im Halbkreis um 180 Grad schwenken – nur wenige Meter über der Oberleitung der Gleise. Vor Ort werden die herausgehobenen Segmente der alten Bahnbrücke durch die Firma Max Wild zerkleinert und das Abbruchmaterial recycelt, d.h. für den Ausbau der A6 auf sechs Fahrstreifen durch die Bauarbeitsgemeinschaft HOCHTIEF und Johann Bunte wiederverwendet.
Die viel befahrene Bahnstrecke Heilbronn – Würzburg ist auch der Grund, weshalb die „Hübe“ nur zu nachtschlafender Zeit stattfinden dürfen. Dann ist nämlich die Strecke für alle Züge komplett gesperrt, das Heraussägen der 13 schwergewichtigen Brückenteile muss dann in einem engen Zeitfenster von ein paar Stunden bewältigt werden.
Und der massive Beton der alten Brücke hat so seine Tücken. Deshalb benutzen die Fachleute Sägeseile, die in regelmäßigen Abständen mit ringförmig angeordneten Diamanten besetzt sind. Diese Diamantsegmente sind so hart, dass damit beinahe jedes Material geschnitten werden kann. Die Teile können allerdings erst „geschnitten“ werden, wenn das Brückensegment bereits fest am Kranhaken hängt. Apropos Kranhaken: allein der wiegt stattliche 14 Tonnen.
Bis einschließlich Sonntag (21. Juli) finden die Arbeiten zum Abbruch der Bahnbrücke bei Neckarsulm statt. Dann ist ein weiterer wichtiger Meilenstein zum Abbruch des alten Neckartalübergangs geschafft, der von Max Wild im Auftrag der BAUARGE A6, bestehend aus HOCHTIEF Infrastructure GmbH und JOHANN BUNTE Bauunternehmung GmbH & Co. KG, im Rahmen des Bauprojektes der Via6West GmbH & Co. KG ausgeführt wird. Danach wird der Kran wieder abgebaut. Hierfür ist eine ganze Karawane von Transportern erforderlich – insgesamt fast 50 Lkws.